6. November 2017

Der erfolgreiche Pivot – so bringt ihr euer Start-up wieder auf Kurs

Wenn das ursprüngliche Geschäftsmodell keinen Erfolg mehr bringt, muss ein Strategiewechsel her. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Wo fängt man an, nach Verbesserungen zu suchen? Welche Strategien gibt es? Und wie erklärt man die Situation dem Investor?

Unser Gastautor David Stuck von bmp Ventures gibt spannende Praxistipps, wie Start-ups einen Pivot meistern können, um wieder auf Kurs zu kommen.

Venture Capital-Gesellschaften investieren in Start-ups. Start-ups sind Maschinen auf der Suche nach einem sich wiederholenden und skalierbaren Geschäftsmodell und Gründern, die eine Vision verfolgt. Anders als profitable Unternehmen sind Start-ups in ihrem Handeln durch das verfügbare Kapital eingeschränkt. Ist die Gründer-Maschine durch das Management falsch eingestellt und findet das Start-up nicht rechtzeitig ein profitables und skalierbares Geschäftsmodell, bedeutet das das Ende des noch jungen Unternehmens.
Und häufig wird genau das festgestellt: Die Maschine ist noch nicht richtig eingestellt. Der CEO ist also ständig auf der Suche nach einem Weg, um sein Ziel – ein sich wiederholendes, skalierbares und profitables Geschäftsmodell – noch schneller und vor einer Liquidation bzw. Insolvenz zu erreichen.
Die Anpassung des Modells wird Pivot genannt und der Weg zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell benötigt mitunter mehrere Pivots. Von kleinen Anpassungen bis zu großen Änderungen, Pivots sind in der Start-up-Welt völlig normal. Auf diese Weise sind einige der erfolgreichsten Start-ups entstanden, die ihr Geschäftsmodell in dramatischer Weise geändert haben: PayPal, Twitter, Instagram oder Flicker.

1, 2 oder 3: love it, leave it or change it

Wenn das Unternehmenswachstum ausbleibt, das Start-up aber an seiner Vision festhält, müssen die Gründer eine Entscheidung treffen: love it, leave it or change it.

Love it: Auch wenn die Unternehmensentwicklung nicht nach Plan verläuft, reagiert das Management auf fehlendes Wachstum mit noch mehr Engagement und einer Reduzierung der Burnrate, d.h. mehr Power, mehr Vertrieb, effizienteres Marketing, weniger Mitarbeiter.

Leave it: Das Start-up wird „beerdigt“, da die Gründer für ihr Unternehmen langfristig keine Chance mehr sehen. Allerdings kommt das beim Gründer-Typ mit „Unternehmer-Gen“ und „never say die“-Attitude seltener vor.

Change it: Da die Unternehmensentwicklung aktuell gebremst ist, entscheidet sich das Management kurzfristig für einen anderen Weg, um das Ziel zu erreichen. Da die Vision gleich bleibt, spricht man von einem Pivot. Hierfür kann gelten: Geschwindigkeit + Pivots = Unternehmenserfolg.

Entscheiden sich die Gründer für die letzte Option „change it“ und sind bei dem Start-up bereits Investoren an Bord (Family & Friends, Business Angels und/oder Venture Capital-Gesellschaften), sind die Folgen eines Pivots auch von diesen zu tragen. Hier muss erst einmal zwischen den unterschiedlichen Phasen eines Start-ups unterschieden werden:
Befindet sich das Start-up in der sogenannten Pre-Seed Phase und steht noch am Anfang des Unternehmensaufbaus, können professionelle Business Angels und Microfonds in der Regel einschätzen, dass die Company noch nach „ihrem“ Geschäftsmodell sucht. Sie erwarten bereits mit erhöhter Wahrscheinlichkeit, dass es während ihrer Investmentphase zu einem Pivot des Modells kommen kann.
Sucht das Start-up nach einer qualifizierten Seed- bzw. Series-A Finanzierung nimmt der VC dagegen an, dass das Start-up bereits ein sich wiederholendes und profitables Geschäftsmodell gefunden hat und die angestrebte Finanzierungsrunde für die Skalierung eingesetzt wird. Die Erwartungshaltung ist folglich eine andere.

Schritt für Schritt zum Pivot

Für beide Ausgangssituationen sollte folgendes Vorgehen beachtet werden: Registriert das Management, dass der bisher eingeschlagene Weg noch nicht unmittelbar zum Ziel führt und erwägt einen Pivot, sollte es im ersten Schritt die Ausgaben verringern. Diese sollten auf ein Minimum reduziert werden, um eine möglichst lange Cash-Reichweite zu haben.
Im zweiten Schritt sollten sich die Gründer auf den Pivot fokussieren und sehr genau analysieren, was die Gründe für die „Fehleinstellungen“ der Start-up-Maschine sind und eine strukturierte Aufstellung erstellen. Hierbei empfiehlt es sich, alle Unternehmensbereiche (Technik, Vertrieb, Marketing, etc.) einzubeziehen und die Punkte aufzuschreiben. Parallel sollte das Start-up versuchen, das bisherige Tagesgeschäft mit so wenig Aufwand wie möglich so gut es geht weiter zu betreiben, auch um weiterhin einige Einnahmen zu verzeichnen. Dabei ist der Fokus der Gründer klar: Pivot.

Und so überzeugt ihr eure Investoren…

Jetzt gilt es, die Investoren kurzfristig über die Situation und die Entscheidung für ein Pivot zu informieren und transparent und professionell zu kommunizieren. Alle Beteiligten sollten Ruhe bewahren. Es ist ein Zeichen des Vertrauens der Gründer, dass sie sich mit einem großen Problem an die Investoren wenden und letztlich sollten alle Shareholder an einer Lösung interessiert sein. In dieser Situation ist ein verschlossener Gründer ebenso wenig hilfreich wie ein polternder Investor („Wir haben aber in das alte Geschäftsmodell investiert“). Zentrale Frage ist erst einmal: Warum?
Die Gründer sollten auf Basis der detaillierten Analyse und einer Bewertung ausführlich und in aller Ruhe ihr neues Geschäftsmodell erläutern und beim Meeting mit den Investoren bestens vorbereitet sein. Professionelle Investoren denken „Founders first“, denn Gründer haben ein solides Feedback aus dem Markt erhalten und viel von Kunden sowie aus echten Daten gelernt. Sie sollten so am besten wissen, was gut für ihr Business ist. Nichtsdestotrotz können Investoren mit ihrem breiten Netzwerk und Marktverständnis durch andere Portfoliounternehmen unterstützen und helfen.

…oder akquiriert zusätzliches Kapital

Jetzt ist auch der richtige Zeitpunkt nochmals zusätzliches Kapital von den Altinvestoren für eine solide Umsetzung des Pivots zu akquirieren. Ziel ist es, das Unternehmen im Interesse aller Shareholder zu stärken und Planungssicherheit für den Pivot zu erlangen. Eine Finanzierung durch die bestehenden Investoren erfolgt in der Regel wesentlich schneller als die Gewinnung neuer Investoren, denn die ursprüngliche Investmententscheidung wurde hauptsächlich auf folgenden Faktoren aufgebaut: Team + Timing + Technologie.

Da das Team und der Markt in der Regel unverändert bleiben, bewertet der Altinvestor den Investment Case nicht komplett neu. Dennoch besteht das Risiko, dass das neue Geschäftsmodell nach dem Pivot nicht mehr in die Investmentstrategie des Investors passt und dieser das Start-up nicht mehr finanziell unterstützen kann. Je schneller die Finanzierungsrunde geschlossen werden kann, desto schneller kann das Start-up zum Unternehmensaufbau zurückkehren.

Bonustipp

Sind bereits mehrere Investoren an der Gesellschaft beteiligt, empfiehlt es sich zuerst den Lead-Investor von dem Vorhaben zu überzeugen, um anschließend gemeinsam den Zugang zu den restlichen Gesellschaftern zu suchen. Zusammen mit diesem Investor kann auch – je nach Investorentyp – das neue Geschäftsmodell verfeinert werden und die Finanzplanung finalisiert werden. Insbesondere „Operational“ und „Hands-on“ VCs können hierbei erfahrungsgemäß sehr weiterhelfen. Außerdem stärkt die gemeinsame Arbeit das Vertrauensverhältnis zwischen Gründern und Investoren.

Zusammenfassung

Der Pivot für Start-ups „Pivot“ ist ein Buzzword und wird häufig benutzt. Pivot ist nicht gleich Pivot und kann sowohl kleine Anpassung, als auch radikale Änderung bedeuten. Die Vision des Start-ups sollte dabei aber unverändert bleiben. Da die kontinuierliche Anpassung und schnelle Änderungen des Geschäftsmodells ein Schlüsselfaktor für agile Start-ups ist, sind Pivots häufig ein Bestandteil beim Unternehmensaufbau und die meisten Investoren damit vertraut. Wenn Firmen nicht rechtzeitig pivoten, besteht das Risiko des Unternehmensendes. Nichtsdestotrotz sollten sich Start-ups über den Einfluss eines Pivots auf ihren Investorenkreis bewusst sein. Letztlich ist ein Pivot immer professionelle Arbeit und kein Wundermittel.